Drehen wir jetzt alle durch?

Aktuelle Zahlen geben Anlass zur Sorge

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. In meinem beruflichen, aber auch privaten, Umfeld gibt es immer mehr Menschen, die stressbedingt eine Pause machen müssen. Nach Prüfung der Datenlage war klar, dass es sich hier leider nicht um individuelle Häufungen in meinem Umfeld handelt, sondern um einen allgemeinen Trend. Nachdem sich der allgemeine Stresspegel vor Corona nach langem permanentem Anstieg kurzzeitig auf hohem Niveau stabilisiert hatte, steigt er jetzt wieder merklich an. Der aktuelle Psychreport der DAK-Gesundheit zeigt einen Anstieg von immerhin 9 Prozent von 2021 auf 2022. Im Zehn-Jahresvergleich von 2012 bis 2022 sind die psychisch bedingten Fehltage aller DAK-Versicherten um sage und schreibe 48 Prozent angestiegen. Ich finde das extrem besorgniserregend. Nicht nur ist der Druck seit vielen Jahren schon sehr hoch, sondern scheinen es die Unternehmen mit Ihren Mitarbeitenden auch nicht besonders gut geschafft zu haben, die psychischen Auswirkungen der Pandemie abzufedern.

Stressursachen

Was also tun, wenn das unangenehme Gefühl nicht weichen will, dass man den Erwartungen und dem Dauerdruck nicht standhalten kann? Was tun, wenn am eigenen Arbeitsplatz Begeisterung, Wertschätzung und Entfaltungsmöglichkeiten fehlen? Meist ist die Ursache für Stress und Anspannung eben nicht allein darin zu finden, dass einfach zu viel zu tun ist. Natürlich kann weniger Arbeiten häufig ein wenig Erleichterung schaffen. Das allein wird aber nicht reichen, wenn uns Sinn und Erfüllung bei der Arbeit fehlen, wenn wir grundlegende persönliche Werte und Bedürfnisse nicht wiederfinden. Dies kann zum Beispiel ein dauerhaft angespannter Umgang miteinander sein. Das kann ein Firmenprogramm sein, welches sich ausschließlich an Effizienz orientiert und die Mitarbeitenden nicht mitnimmt. Das können gehäuft auftretende, sinnlos erscheinende Aufgaben sein, permanenter Zeitdruck oder eine Kultur, die mehr von Konkurrenz als vom Miteinander geprägt ist. In Zeiten von Homeoffice und leeren Büros kann auch Einsamkeit oder ständige Veränderungserwartung eine wesentliche Ursache für Stress sein. Was auch immer es ist. Wenn wir zu lange an Arbeitsbedingungen festhalten, die unserer Persönlichkeit mit all ihren Bedürfnissen widersprechen, macht uns das nicht nur unzufrieden, sondern auch krank. Die Pandemie hat diese Themen nicht neu erfunden. Sie hat jedoch die allgemeine Anspannung verstärkt, so dass unsere Resilienz, unsere Fähigkeit, Belastungen abzufedern, stark gelitten hat. Dies beobachtet man inzwischen auch verstärkt in der Altersgruppe der unter 30jährigen, die bisher von der Stressproblematik weniger stark betroffen war.

Der Weg zu einem zufriedenen Berufsleben

Wenn Sie sich eine berufliche Situation wünschen, in der Sie sich wieder frei und entspannt fühlen, sollten Sie zunächst mit einer individuellen Analyse beginnen: Welches persönliche und räumliche Umfeld benötigen Sie, um sich beruflich wohlzufühlen? Welche Aufgaben sind für Sie sinnerfüllt? Unter welchen Rahmenbedingungen laufen Sie zu Hochform auf? Welche lösen bei Ihnen aktiv Stress aus? Wenn Sie herausgefunden haben, was für Ihr Wohlbefinden und auch Ihre Leistungsfähigkeit elementar ist, loten Sie im zweiten Schritt aus, was Sie konkret tun können, um sich Ihrem idealen Arbeitsplatz anzunähern. Häufig ist schon am bestehenden Arbeitsplatz viel mehr an Veränderung möglich als wir zunächst denken. Wer seine Bedürfnisse nicht ausspricht, kann nur schwer Veränderungen erwarten. Wer nichts fordert, der bekommt – wie Simone de Beauvoir einst sagte – auch nichts. In manchen Fällen, in denen die Firmenkultur oder auch die Branche ganz und gar nicht zu den eigenen Werten und zur Persönlichkeit passt, kann natürlich auch ein Arbeitsplatzwechsel, intern oder extern, sinnvoll sein.

Potenzialanalyse

Ein erster fundierter Schritt, um den eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten auf den Grund zu gehen, kann auch eine individuelle Potenzialanalyse sein. Damit werden die persönlichen Verhaltensvorzüge, Motivatoren bzw. Werte sowie individuelle Talente und Nicht-Talente mess- und greifbar. Gemeinsam mit einem Coach können die Ergebnisse interpretiert und geeignete Maßnahmen für den beruflichen Weg entwickelt werden.

Wer einen beruflichen Weg findet, der zur eigenen Person passt, muss sich nicht mehr verbiegen und kann gleichzeitig Wohlbefinden und Leistungsstärke deutlich steigern.

Man muss sich also nicht abfinden mit dem gigantischen Stresspegel, der inzwischen vielerorts erreicht wurde. Man darf und sollte individuell für sich sorgen. Von zufriedenen, entspannten Mitarbeitenden, die voll in Ihrer Kraft stehen, profitieren schließlich auch die Unternehmen. 

Ihre Tanja Klußmann, Expertin für Freiheit im Beruf_Leben

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