Wo ist unsere Freiheit geblieben?

Unsere Freiheit, unsere Persönlichkeit und unser Recht uns zu versammeln sind per Gesetz geschützt. In Zeiten von Kontaktverbot oder gar Ausgangssperren ist das Umsetzen dieser Grundrechte schwierig bis unmöglich geworden. Hat man uns von heute auf morgen unsere gesetzlich verbriefte Freiheit genommen?

Corona ist in einer Geschwindigkeit über uns hereingebrochen, die selbst Experten sich in ihren kühnsten Albträumen nicht haben vorstellen können. Gerade den Generationen im erwerbsfähigen Alter, die in Ihrem Leben bislang weder Krieg noch andere große Krisen miterlebt haben, die in einem derart großen Ausmaß ihr tägliches Leben beeinträchtigt hätten, erscheint diese Krise surreal. Das was da gerade passiert, kann eigentlich gar nicht möglich sein. So dramatisch wirkt es auf unser aller Leben ein.

Natürlich zuallererst gesundheitlich. Gesundheit war für die allermeisten etwas, das einfach da war und wenn man mal ein Problem hatte, wurde einem selbstverständlich geholfen. Nie zuvor haben mir so viele Menschen auf allen „Kanälen“ eine gute Gesundheit gewünscht wie in diesen Tagen. Ich bin jedenfalls immer wieder froh, wenn der Hals nicht zu kratzen anfängt. Aber auch die Gesunden kämpfen: mit dem Kauf von Klopapier, der Einsamkeit, der Unsicherheit und nicht zuletzt den wirtschaftlichen Einbußen. Manche müssen sich in Bescheidenheit üben, andere bangen schier um ihre Existenz. Auch die alltäglichen Einschränkungen nagen an der Psyche. Zahlreiche Errungenschaften, die uns längst selbstverständlich geworden sind, werden uns von heute auf morgen genommen. Wo sollen wir unseren geliebten Sport treiben, wenn das Fitness-Studio geschlossen bleibt? Freunde treffen im Restaurant? Die haben längst geschlossen. Nicht einmal mehr zu Hause dürfen wir Freunde treffen, zumindest nicht mehr als eine Person auf einmal. Was tun mit unseren Abenden? Wochenenden? Es ist nicht einfach, ein Leben wieder abzugeben, an dessen Annehmlichkeiten wir uns so lange gewöhnt haben. Glück entsteht immer im Vergleich. Das hat die Glücksforschung herausgefunden. Wir fühlen uns glücklich, wenn es uns im Verhältnis gut geht. Wenn es uns besser geht als dem Nachbarn oder dem Kollegen. Wenn es uns besser geht als zuvor oder zumindest nicht schlechter. Wir wollen das Rad ja nicht rückwärts drehen. Es muss ja aufwärts gehen, persönlich, wirtschaftlich und auch sonst. Und jetzt DAS!

Wir scheinen die Kontrolle für das Gelingen unseres Lebens aus den Händen zu geben. Andere scheinen das Schiff jetzt für uns zu steuern und auch die können uns nicht garantieren, dass alles gut wird. Ist unsere Freiheit in diesen Tagen der Preis, den jeder einzelne zahlt, damit wir als Menschheit diese Krise überstehen? Verstehen wir Freiheit als äußere Freiheit, so hat sich der Rahmen, in dem wir leben, ohne Zweifel verkleinert. Unsere Bewegungsfreiheit ist begrenzt, Reisen ist uns verboten, unsere Eltern und Großeltern sollen wir nicht besuchen, zu anderen Menschen Abstand halten, auch oder gerade wenn Sie uns am Herzen liegen. Wir dürfen dieser Tage auch nicht demonstrieren, um unseren Unmut kundzutun. Wir sollen stillhalten. Man muss froh sein, wenn man gesund ist. Wir dürfen unser Leben nicht mehr in seinem alten Rahmen so gestalten, wie wir es uns wünschen. Unser Rahmen, unsere äußere Freiheit, ist kleiner geworden.

Dennoch: Eins wird uns definitiv bleiben. Das ist unsere innere Freiheit. Reinhard Sprenger definiert diese als einen Zustand, in dem der Mensch seine eigene ihm zur Verfügung stehende Möglichkeit nutzt auszuwählen. Auch wenn der äußere Rahmen kleiner geworden ist, so haben wir selbst die Wahl, wie wir mit dieser neuen Situation umgehen wollen. Niemand auf der Welt kann uns zwingen, unsere innere Freiheit, unsere Persönlichkeit und Zukunftsvision aufzugeben. Niemand hindert uns daran, neue Perspektiven für uns persönlich, unser soziales Umfeld oder unseren Beruf zu entwickeln. Wir werden für eine gelingende Zukunft alle freiheitlich denkenden, proaktiven Menschen brauchen. Mit Selbstverantwortung, Eigeninitiative und individueller Stärke wird es uns gelingen, auch in Zeiten von Corona, nicht nur die Schwierigkeiten, sondern auch die Möglichkeiten zu sehen, die uns bleiben, neue Themen voranzubringen und unsere Zukunft aktiv mit zu gestalten.

Ja, das ist nicht leicht im Moment. Ganz im Gegenteil! Manchmal möchte man verzweifeln. Keiner weiß, wie der Rahmen morgen, nächste Woche, nächsten Monat aussehen wird. Das macht es mehr als schwer, gute Entscheidungen zu treffen und zu planen. Es gibt einfach so viele Rahmenbedingungen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen und deren Konsequenzen wir kaum absehen können. Dennoch besteht die schlechteste Alternative sicherlich darin, nicht aktiv zu werden und sich als Opfer den Umständen auszuliefern. Die in diesen Tagen mit Recht viel gelobten Kranken- und Altenpfleger, Ärzte, Verkäufer, sie tragen einen großen Teil zu unserer aller Zukunft bei. Ich glaube, dass wir alle, egal in welchen Berufen wir tätig sind, ob wir Rentner oder Hausmann sind, unzählige Kompetenzen in uns tragen, um unseren individuellen Beitrag für eine gelingende Zukunft zu leisten. Nutzen Sie diese Freiheit und auch die Zeit, die Sie wahrscheinlich im Moment haben, um ihre und unser aller Zukunft zu gestalten. Reflektieren Sie! Verändern Sie! Nehmen Sie sich Zeit für alles, was lange zu kurz gekommen ist. Sprechen Sie mit Ihren Lieben – auch wenn es mit vielen nur am Telefon oder online möglich ist. Modellieren Sie Ihre berufliche Laufbahn. Sie haben Einfluss darauf, wie ihr Leben nach Corona aussehen wird. Diese Freiheit kann Ihnen keine Krise dieser Welt nehmen!

Ihre Tanja Klußmann, Expertin für Freiheit im Beruf_Leben
Köln, 23. März 2020

 

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